Eine unerwartete Besucherin

Es gibt diese Momente im Leben, die so bizarr sind, dass man sich fragt, ob das Universum gerade einen schlechten Witz erzählt. So einer dieser Momente ereignete sich kürzlich an einem völlig gewöhnlichen Nachmittag. Mitten in der konzentrierten Arbeit am Computer landete plötzlich ein kleines, sechsbeiniges Wesen auf meinem Finger. Eine Stubenfliege. Aber nicht irgendeine – nein, diese hier war anders. Sie blieb einfach sitzen. Keine hektischen Bewegungen, kein nervöses Hände-Reiben mit den Vorderbeinen, wie man es von diesen kleinen Nervensägen gewohnt ist.

Die Fliege bleibt stur

Nach einem sanften Handschütteln, das normalerweise jede Fliege in Panik versetzen würde, geschah das Unglaubliche: Die kleine Besucherin kehrte zurück! Als wäre nichts gewesen, landete sie erneut auf meiner Hand. »Was zum Teufel?«, war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss. Die Fliege wirkte seltsam träge, fast wie eine alte Dame, die gerade fünf Etagen ohne Aufzug bewältigt hatte. Bei leichter Berührung lief sie einfach weiter, ohne die geringste Andeutung von Flucht.

Ein Name entsteht

In solch skurrilen Situationen entsteht manchmal spontan ein absurder Gedanke: Diese Fliege braucht einen Namen! Und wie aus dem Nichts erschien er plötzlich im Kopf: Bertha. Ja, Bertha die Stubenfliege. Warum gerade Bertha? Wer weiß? Vielleicht weil sie etwas Würdevolles, fast Altertümliches an sich hatte, wie sie dort regungslos verharrte, als würde sie über die Vergänglichkeit des Fliegendaseins philosophieren.

Das kurze Leben einer Stubenfliege

Apropos Fliegenleben – wer sich schon immer gefragt hat, so wie ich in diesem Augenblick, wie lange diese kleinen Brummer eigentlich unter uns weilen: Die durchschnittliche Stubenfliege (Musca domestica) bringt es auf gerade mal 15 bis 30 Tage Lebenszeit. Bei optimalen Bedingungen können manche Exemplare sogar bis zu zwei Monate alt werden – ein geradezu biblisches Alter in der Fliegenwelt!

Bertha verbringt also ihre wenigen kostbaren Lebenstage damit, hartnäckig auf fremden Händen zu sitzen. Eine ungewöhnliche Karrierewahl für eine Fliege, die eigentlich damit beschäftigt sein sollte, durch die Gegend zu summen und Nahrung zu suchen.

Der Versuch der freundlichen Verabschiedung

Nach dieser unerwarteten Begegnung folgte der humane Versuch, Bertha die Freiheit zu schenken. Fenster auf, Hand schütteln, Bertha fliegt hinaus – Mission erfüllt! Oder doch nicht? Denn kaum war das Fenster wieder geschlossen und die Arbeit wieder aufgenommen, saß sie da. Auf dem Schreibtisch. Wie ein kleiner, sturer Stalker mit Facettenaugen.

Berthas freier Wille

An diesem Punkt wurde klar: Dies ist keine gewöhnliche Fliege. Bertha hat offensichtlich einen eigenen Willen, vielleicht sogar eine Mission. Also wurde das Fenster auf Kipp gestellt – die Entscheidung lag nun bei ihr. Freiheit oder die zweifelhafte Freude weiterer menschlicher Gesellschaft?

Was wollte Bertha wirklich?

Manchmal hinterlassen die kleinsten Kreaturen die größten Fragezeichen. Was hat Bertha dazu bewogen, ausgerechnet diese menschliche Hand, diesen Schreibtisch, diesen Raum zu ihrem Verweilort zu machen? War es die Wärme? Der Geruch? Oder war sie einfach nur am Ende ihrer kurzen Lebensspanne angelangt und suchte einen ruhigen Ort für ihre letzten Stunden?

Ein bleibendes Andenken

Wie dem auch sei – Bertha hat es geschafft, sich zu verewigen. Nicht nur als skurrile Anekdote, sondern auch visuell. Das Foto dieser ungewöhnlich zutraulichen Stubenfliege, das ich spontan schnell mit dem Handy geschossen habe, bleibt als Erinnerung an diese sonderbare Begegnung. Vielleicht ist das mehr, als die meisten ihrer Artgenossen je erreichen werden – eine kleine Unsterblichkeit für ein Wesen, dessen Lebenszyklus kürzer ist als die durchschnittliche Lieferzeit eines Briefes. Vielleicht war Bertha aber auch nur eine Botin des Universums, die daran erinnern sollte, dass selbst in den kleinsten, unscheinbarsten Momenten etwas Einzigartiges stecken kann – wenn man nur innehält und es bemerkt.

© Ron Vollandt | Rons famose Gedankenwelt