Späße mit Neuankömmlingen

In einer Welt, in der jeder Job seine eigenen absurden Rituale entwickelt hat, steht das Bauhandwerk unangefochten auf dem Siegertreppchen des kreativen Unfugs. Während ich in Bürojobs höchstens erlebt habe, wie der erste Arbeitstag mit Kennenlernen-Meetings und dem Kampf mit der Outlook-Signatur zerfließt, entfaltet sich auf deutschen Baustellen eine regelrechte Symphonie des Schabernacks.

Das Baugewerbe hat seine ganz eigene, nennen wir es mal »spezielle Art« entwickelt, Frischlinge in die Herde zu integrieren. Keine sterilen Willkommensordner, keine PowerPoint-Präsentationen über die korrekte Nutzung der Kaffeemaschine – nein, hier wird man Teil der Gemeinschaft, indem man erst einmal ordentlich auf den Arm genommen wird. Eine Tradition, die vermutlich älter ist als der erste Maurerbleistift, und dabei so lustig, dass ich einen Einblick in diese wahre Kunst des Humors geben möchte.

Die klassischen Fallen

Ein besonderes Ritual für Neuankömmlinge gibt es im Baugewerbe: Der arme neue Geselle steht da, frisch aus der Berufsschule, mit glänzenden Augen und dem Glauben an eine Welt, in der Menschen einander respektieren. Dann kommt der Vorgesetzte und ruft laut: »Hol mal schnell den Fugenschrumpfer aus dem Lager!« Der Neuling nickt eifrig und verschwindet, während die anderen sich kichernd die Hände reiben.

Natürlich existiert kein Fugenschrumpfer. Genauso wenig wie die »Ersatzluftblasen für die Wasserwaage«, die ironischerweise genau das Element sind, das niemals ersetzt werden muss. Besonders gemein ist auch: Das »körnungslose Schmirgelpapier«. Ein Schmirgelpapier ohne Körnung wäre wie ein Politiker ohne leere Versprechen – schlichtweg undenkbar und seiner Grundfunktion beraubt.

Absurdität als Initiationsritus

Die »Sommerreifen für den Hubwagen« fallen in die Kategorie der äußerst gewitzten Scherzartikel. Als ob ein Gerät, das auf Stahlrollen durch die Gegend geschoben wird, plötzlich saisonales Reifenwechseln benötigen würde. Und doch wandern Neulinge stundenlang durch Lager, auf der Suche nach diesem mythischen Objekt.

Der »180-Grad-Winkel« ist hingegen ein mathematisches Juwel unter den Fake-Werkzeugen. Aber genau diese pseudointellektuelle Note macht ihn zu einem der beliebtesten Initiationsriten, der sowohl Neulinge als auch erfahrene Mathematiker gleichermaßen fasziniert und zum Schmunzeln bringt.

Die Liste der Unmöglichkeiten

Hier eine Auswahl der besten nicht-existenten Gegenstände, nach denen Lehrlinge geschickt werden und die ich wirklich äußerst amüsant finde:

  • Fugenschrumpfer (für die nicht schrumpfbaren Fugen)
  • Ersatzluftblasen für Wasserwaagen
  • Körnungsloses Schmirgelpapier
  • Sommerreifen für den Hubwagen
  • 180-Grad-Winkel (auch bekannt als »eine gerade Linie«)
  • Siemens-Lufthaken (zum Aufhängen von Dingen im Nichts)
  • Getriebesand (zum »Schmieren« von Getrieben)
  • Messingmagnet (für das nicht-magnetisierbare Metall)
  • Feilenfett (macht Feilen unbrauchbar)
  • Glashobel (zum Hobeln des unhobelbaren Materials)
  • Atomstromfilter (filtert die unsichtbaren Elektronen)
  • Kabelbiegezange für Glasfaserkabel
  • Elektromagnetische Holzschrauben
  • Funkensammler für Elektrogeräte
  • Frequenzmesser für Schweißnähte
  • Drehbare Wasserwaage
  • Holzschrauben aus Aluminium
  • Kreidestaubfilter

Gesellschaftlicher Tiefgang

Und während diese Liste auf den ersten Blick nur albern erscheint, offenbart sie doch etwas Tiefgründiges über die menschliche Gesellschaft. In einer Welt, in der Büroangestellte mit Buzzword-Bingo und Managementfloskeln gequält werden, erschaffen Handwerker greifbare, physische Absurditäten.

Vielleicht gibt es einige Menschen, die sich über diese »primitiven Baustellenwitze« aufregen. Meist sind es jedoch die gleichen, die hunderte Euro für irgendwelche »Detox-Wunder-Saftkuren« aus dem Fenster werfen. Besonders köstlich finde ich ja diese Instagram-»Experten«, die mir erklären wollen, dass mein Körper jetzt unbedingt ihre speziellen »Algen-Smoothies« und »aktivkohle-versetzte Zitronenwasser« braucht, um zu »entgiften«. Meine persönliche Geschäftsidee wäre »Luft in Dosen« zu verkaufen, weil normales Atmen nicht mehr »clean« genug ist.

Das Ende der Naivität

Irgendwann kommt für jeden Lehrling der Moment der Erkenntnis. Nach der dritten ergebnislosen Suche nach einem »Farbmischer für Klarlack« dämmert es selbst dem Gutgläubigsten. Die Integration ist abgeschlossen, der Kreis schließt sich – und bald wird der ehemalige Neuling selbst mit einem verschmitzten Lächeln einen Neuankömmling nach dem »Rasterdehnungsgerät« schicken.

In diesem Moment ist ein weiterer Handwerker vollständig in die Gemeinschaft aufgenommen. Und obwohl niemand es zugeben würde: Diese kleine, absurde Tradition schafft mehr Zusammengehörigkeitsgefühl als jeder Teambuilding-Workshop je könnte.

Abschließend noch mein ganz persönlicher Tipp… wenn der Chef direkt nach einem Fugenschrumpfer fragt, am besten wie folgt antworten: »Der Fugenschrumpfer? Ich weiß, wo er liegt! Er liegt hinten links im Lager, gleich neben den Ersatzluftblasen für die Wasserwaage auf dem 180-Grad-Winkel.«

© Ron Vollandt | Rons famose Gedankenwelt