Neulich beim Zappen durch die Fernsehkanäle bin ich wieder mal an einer Comedy-Show hängengeblieben. Eigentlich liebe ich das – kurzweilige Unterhaltung, ein paar Lacher, perfekt für einen entspannten Abend. Doch in letzter Zeit beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Da breitet sich ein Trend aus, den ich immer schwerer ignorieren kann. Kein Mundschutz oder Impfung könnte uns davor bewahren – höchstens die Fernbedienung, aber wer will schon abschalten, wenn der nächste Lacher lockt?

Vom Hofnarren zum Hoflieferanten

Es gab mal eine Zeit, da haben Comedians der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten. Ihre Aufgabe war es, uns zum Lachen zu bringen, während sie unbequeme Wahrheiten aussprachen. Doch diese Zeiten scheinen vorbei.

Willkommen in der wunderbaren Welt der modernen Stand-up-Comedy, wo Integrität und künstlerischer Anspruch längst dem Altar des Kommerzes geopfert wurden! Neuerdings dürfen wir hautnah miterleben, wie aus einstmals scharfzüngigen Gesellschaftskritikern wandelnde Litfaßsäulen werden. Ich will nicht alle über einen Kamm scheren – es gibt nach wie vor brillante Künstler da draußen, die ihrem Handwerk treu bleiben. Es ist mir wichtig, das zu betonen, denn es gibt sogar einige Comedians, die noch nicht einmal witzig sind! Aber daneben gibt es diesen anderen Typus, der immer häufiger auftaucht…

Der Werbepausen-Flüsterer

Dieser Comedian – alleine das Wort trieft vor Ironie – betritt die Bühne. In der Hand nicht etwa ein Mikrofon, sondern die neueste Ausgeburt kapitalistischer Albträume: Ein Energydrink für alle, denen der Humor abhanden gekommen ist. Mit einem Grinsen, so falsch wie seine Haarfarbe, preist er die belebende Wirkung an. Das Publikum johlt. Natürlich tut es das – wurde es doch dafür bezahlt. Doch damit nicht genug!

Die Kunst des subtilen Ausverkaufs

Aber warum bei Getränken aufhören, wenn man seine Seele schon verkauft? Unser Held des Abends tänzelt von einem Produkt zum nächsten, als wäre er ein menschgewordener Werbeblock. Zahnpasta, die so weiß macht, dass man die Augen vor Scham schließen muss? Das Publikum klatscht einstudiert auf die Sekunde genau. Eine Kreditkarte, die Schulden so sexy macht wie nie zuvor? Aber natürlich, immer her damit! Die Kreditkarte-Anträge liegen bereits direkt am Ausgang neben den produktplatzierten Autogrammkarten.

Und während das Publikum sich vor gekünsteltem Lachen biegt, können wir förmlich hören, wie der Kontostand unseres Comedians in die Höhe schnellt. Denn wer braucht schon Talent, wenn man stattdessen einen fetten SUV haben kann? Richtig, niemand! Warum sollte man sich die Mühe machen, relevante gesellschaftliche Themen anzusprechen, wenn man stattdessen über die Vorzüge deutscher Ingenieurskunst schwadronieren kann? Der neue Cayenne finanziert sich schließlich nicht von selbst!

Familienleben mit Sponsorenvertrag

Aber halt, vergessen wir nicht die holde Gattin daheim! Die arme Seele muss schließlich irgendwie für die Peinlichkeit entschädigt werden, mit diesem wandelnden Werbebanner verheiratet zu sein. Kein Problem! Ein paar zotige Witze über teure Schmuckstücke vom Juwelier des Vertrauens, und schon klimpert es nicht nur in dessen Kasse, sondern auch im Dekolleté der Angetrauten. Wer hätte gedacht, dass Fremdschämen so profitabel sein kann?

Der Tod der Authentizität (mit Rabattcode)

Comedy ist ein hartes Geschäft. Die Konkurrenz ist groß, die Gagensicherheit klein. Wer kann es jemandem verübeln, dass er seine Brötchen verdienen will? Aber muss es auf Kosten dessen gehen, was Comedy eigentlich ausmacht – Authentizität, eine persönliche Haltung, ein unabhängiger Blick auf die Welt? Doch unser Comedian kennt keinen dieser altmodischen Puristen, die von »Kunst« und »Integrität« faseln. Um sein Leben auf Hawaii zu genießen, hat er natürlich keine Zeit, jahrelang an Witzen zu feilen – das geht stattdessen viel einfacher in fünf Minuten mit einem Sponsorenvertrag. Authentizität? Pah! Das Einzige, was bei ihm authentisch ist, ist die Gier nach dem schnellen Euro.

Und das Publikum? Oh, es liebt es! Schließlich wittert auch dieses den Duft des schnellen Vergnügens, während das abgerichtete Buffet schon verlockend dampft. Aber irgendetwas geht verloren in diesem Moment – vielleicht ist es Respekt. Für den Künstler, für uns selbst. Hauptsache, der Applaus ist laut genug, um das schmerzhafte Röcheln des sterbenden guten Geschmacks zu übertönen.

Wer will schon über die wahren Absurditäten des Lebens lachen, wenn man stattdessen die angeblich revolutionären Eigenschaften eines Waschmittels bejubeln kann? Übrigens, habe ich eigentlich schon berichtet, wie ich meine Wäsche immer besonders sauber bekomme? Nein! Und dabei soll es auch bleiben.

Die Gebrauchsanweisung für angehende Lachnummern

Also, ihr angehenden Clowns des Kapitalismus, nehmt euch ein Beispiel! Der wahre Weg zum Erfolg liegt nicht etwa in Talent oder harter Arbeit, sondern in der Fähigkeit, sich selbst so schamlos zu verkaufen wie möglich. Zwischen Punchline und Produktplatzierung liegen oft nur Sekunden – und ein paar Nullen auf dem Kontoauszug.

Und dennoch: Vielleicht liegt das Problem nicht bei den einzelnen Künstlern, sondern im System. In einer Welt, in der jeder Content monetarisiert werden muss, bleibt wenig Raum für kompromisslose Kunst. Aber gerade deshalb würde ich mir wünschen, dass mehr Comedians die Grenze ziehen – zwischen legitimer Vermarktung und dem Ausverkauf des eigenen Talents.

Bis dahin werde ich wohl weiter durch die Programme zappen, in der Hoffnung auf einen dieser seltenen Momente, wo echte Comedy durchbricht – unverfälscht, ungeschminkt und ohne versteckte Verkaufsabsicht. Denn Comedy darf zwar vieles – aber sie sollte uns nie für dumm verkaufen.

© Ron Vollandt | Rons famose Gedankenwelt